Da lag er: Der Arbeitsvertrag. Das gute Gehalt. Der Status. Das risikoarme Leben. Die Perspektive. 

Und ich konnte mich seltsamerweise ganz und gar nicht freuen.

Heute will ich dir von einer meiner wichtigsten Entscheidungen erzählen – der Entscheidung, den logischen nächsten Schritt NICHT zu gehen. Es war vor etwa zwei Jahren, einige Monate davor war ich mit meiner Familie von Bonn nach Potsdam gezogen. Ich hatte bis zum letzten Tag vor dem Umzug als Unternehmensjuristen gearbeitet, war die letzten 9 Monate faktisch alleinerziehend gewesen (mein Mann war bereits in Berlin) und ich hatte den ganzen Umzug, Schulwechsel und so weiter organisiert. Die letzten Monate vor dem Umzug waren sehr stressig, und daher war eine gleichzeitige Jobsuche für mich nicht drin. Ich entschied mich also, zunächst einmal uns und unsere Kinder in Potsdam ankommen zu lassen und mir einen langgehegten Traum, eine Mediationsausbildung zu erfüllen. 

So kam es dann auch. Und wer auch noch kam, waren die Headhunter, gegen die ich mich nicht so richtig wehrte. Und so schlitterte ich parallel zur Mediationsausbildung fremdgesteuert in einen Prozess der Bewerbungsgespräche, was dann auch recht schnell in einem wirklich guten Angebot mündete. Ich habe es eingangs erwähnt. Der Arbeitsvertrag. Der logische nächste Schritt. 

Ich kann heute noch das Gefühl nachspüren, das ich hatte, als ich den Umschlag öffnete. Mein Kopf sagte: Das ist der logische nächste Schritt. Das macht Sinn in deinem Lebenslauf. Das ist finanziell attraktiv. Das kannst du deinen alten Freunden erzählen und sie sagen: Klar, Charlotte, ich wusste immer, dass du das schaffen würdest. Damit nehmen andere dich wahr als jemanden, der wächst. Wenn du den Job machst, stehen dir danach alle anderen Jobs als Unternehmens-juristin in wachsenden Berliner Unternehmen offen. Aufbau einer Rechtsabteilung, Leitung einer Rechtsabteilung, the sky is the limit.

Dem Kopf konnte ich aber in diesem Moment gar nicht zuhören. Denn für meinen Bauch war das alles gar nicht logisch. 

Mein Bauch signalisierte mir nämlich folgendes: Hier grummelt es. Ich – dein Bauch – werde in diesen Job nicht mitkommen. Ich – dein Bauch – verarbeite gerade begeistert das, was ich in der Mediationsausbildung erfahre. Ich – dein Bauch – will mehr davon. Ich will das auch nicht nur lernen, ich will das machen. Ich brauche dafür Zeit und Raum. Ich kann das und ich will mich hier weiterentwickeln. Und ich spüre sogar eine Verantwortung für mich, das Neue zu nehmen und damit in die Welt zu gehen. 

Der Kopf hatte in dem Moment also nicht mehr viel zu melden. Man hätte mir auch das doppelte Gehalt, ein Haus am See, gigantische Unternehmensbeteiligungen oder ähnliches drauflegen können. Das wäre in meinem Bauch gar nicht angekommen. Der Bauch wollte nämlich anders satt werden. Und so machte ich mich selbständig. Und habe es keinen einzigen Tag bedauert. 

Was ich dir damit nicht sagen will: 

Dass du deine Entscheidungen aus dem Bauch treffen sollst oder dass du dich selbständig machen sollst. Das war lediglich meine eigene gute Entscheidung. 

Was ich dir damit sagen will: 

Wie viele von uns lebst und arbeitest du wahrscheinlich in einem System, das – scheinbar – den Kopf als das einzige probate Entscheidungswerkzeug anerkennt. Offiziell sind Zahlen, Daten, Fakten das, was zählt. Ich versuche mich einmal darin, dir die Unterschiede zwischen Kopf-, Bauch- und Herzentscheidungen zu erklären, damit du herausfinden kannst, welches dein bestes Werkzeug ist.

Stell dir eine Entscheidung aus deinem Leben vor, die du heute noch so treffen würdest. Die also richtig gut war. Wie war damals der Entscheidungsprozess für dich? 

Kopf:  

Denken stand im Vordergrund. Du setztest auf deinen Verstand und deine rationale Beobachtungsgabe. Das genaue Durchdenken von Zusammenhängen gab dir Orientierung und Sicherheit. Zahlen, Daten und Fakten leiteten dich. 

Bauch: 

Handeln stand im Vordergrund: Dein Instinkt gab dir den besten Rat und du hattest ein starkes Autonomiebedürfnis. Bei mir grummelt es richtig im Bauch, wenn etwas nicht passt. 

Herz:  

Fühlen stand im Vordergrund. Beziehungen, Fürsorge und Anerkennung waren dir wichtig. Du gabst möglicherweise mehr als du materiell zurückbekamst, weil das Geben selbst dich motiviert und dir eine Freude macht oder du glaubst, dass es dir Anerkennung bringt. 

Und, wie war das bei dir?  

Einen Hinweis möchte ich dir dazu noch geben. Dieses Werkzeug ist nie dein einziges Werkzeug, sondern einfach das, das du vorwiegend nutzt. Die anderen beiden verwendest du auch, sie fallen also nicht ganz hinten runter, sind aber nachrangig. 

Was das für deine Verhandlung bedeutet: 

Wenn du dich vor einer Verhandlung sammelst, in der es um dich selbst geht, dann setzt du dir ein Ziel. Und zwar ein Ziel, mit dem du wirklich glücklich und zufrieden bist. Dafür ist es sehr wichtig zu schauen, womit du deine besten Entscheidungen triffst. Und dann schau dir an, welche Fallstricke dort lauern, also zum Beispiel: Wenn du mit dem Herzen verhandelst, welche Dinge könntest du übersehen?  

Und wenn du das analysiert hast, dann erst richtest du deinen Blick auf deinen Verhandlungspartner. Denn in dem läuft ja auch ein Programm ab, das sich eher in Kopf, Bauch oder Herz abspielt. Du kannst ihn (oder sie) ja nur nachhaltig überzeugen, wenn du ihn dort ansprichst, wo er seine guten Entscheidungen trifft. Und vor allem auf eine Art und Weise, die ihn anspricht und mit der er sich gehört fühlt. Was könnte ihn irritieren und abschrecken? Je besser du ihn also kennen lernen kannst, ihn und seine Sprache beobachten kannst, desto günstiger für dich.  

Ich gebe dir zwei Beispiele:  

Erstes Beispiel: Kopfmenschen mögen keine Überraschungen, sie brauchen Zeit zum Nachdenken. Mit dem Betonen einer guten Beziehung oder einem guten Bauchgefühl kommst du nicht unbedingt weit. Zumindest brauchen sie zusätzlich klare nachweisbare Informationen. Sie trennen Person und Sache stark und nutzen wenig emotionale Sprache. Daher könnte es sie abschrecken, wenn du eine solche Sprache benutzt. Das nimmt ihnen nämlich die Orientierung und lässt sie skeptisch werden.  

2. Beispiel: Herzmenschen suchen eine gute Beziehung und lieben Win-Win Lösungen. Nur auf Zahlen herumzureiten macht ihnen vielleicht sogar Angst. Sie motivierst du eher, indem du freundlich und umgänglich bist, ihnen gut zuhörst und signalisierst: Wir sitzen in einem Boot – lass uns diese Beziehung gestalten. Dann werden sie sich selbst darum bemühen, etwas für dich zu tun. 

Und übrigens: Repräsentative Zahlen, wieviele Bauch- Kopf- und Herzmenschen es gibt, habe ich leider nicht. I am sorry. Ich habe eine kleine Umfrage durchgeführt, in der 90 % angegeben haben, ihre besten Entscheidungen aus dem Bauch heraus zu fällen. Wahrscheinlich waren da auch einige Herzmenschen dabei, die noch nichts davon wissen. Aber sei getröstet: Es würde dir nichts bringen zu wissen, wie viele es von welcher Sorte gibt. Denn du müsstest es sowieso für jeden individuellen Gegenüber selbst herausfinden. 

Noch einmal zurück zu meiner eigenen Entscheidung:

Wenn ich die Zahlen gegenüberstelle, wenn ich das Risiko, die finanzielle Seite und den zeitlichen Aufwand anschaue, dann war das natürlich eher eine Kamikaze – Entscheidung.  

Wenn ich allerdings sehe, welche Impulse ich geben darf und welche Veränderungen ich mit meinen Kundinnen bewirken kann, dann war es eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Meine Freunde und Kollegen von früher wundern sich vielleicht. Manchen fällt es schwer nachzuvollziehen, warum ich das mache. Das macht aber nichts: Wir reden dann eben über anderes. Und: Ich habe seitdem unfassbar spannende neue Menschen kennen gelernt. Ich habe viele Menschen begleitet. Ich mache einen Unterschied statt alles gleich. Das fühlt sich wertvoll, satt, rund und selbstwirksam an. Es macht mich glücklich und zufrieden. Und lässt mich mich selbst in Verhandlungen gut vertreten. 

 

Das und nicht weniger wünsche ich dir auch. 

Deine Charlotte

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